Die akti­ve Aus­ein­an­der­set­zung mit der Geschich­te der DDR und der SED-Dik­ta­tur ist auch 27 Jah­re nach der fried­li­chen Revo­lu­ti­on und der Deut­schen Ein­heit aktu­ell. Jugend­li­che müs­sen wis­sen, wie das All­tags­le­ben in der DDR aus­sah und wel­che Schat­ten­sei­ten es in der DDR gab, die vie­le ihrer Eltern mit­er­lebt haben.

Auch wir, Schü­ler der 10. Klas­se der Arnol­di­schu­le, mach­ten es uns im Rah­men der Sozi­al­kun­de-Pro­jekt­ta­ge am 27. und 28. März 2017 zur Auf­ga­be, einen Teil der DDR-Geschich­te näher zu beleuch­ten: die Rol­le des Minis­te­ri­ums für Staats­si­cher­heit (MfS), kurz Sta­si, sowie die fried­li­che Wen­de in Thü­rin­gen im Jah­re 1989.

Wir besuch­ten dazu am ers­ten Pro­jekt­tag die „Gedenk- und Bil­dungs­stät­te Andre­as­stra­ße“. Hier, am authen­ti­schen Ort, wird erin­nert an Unter­drü­ckung und Wider­stand wäh­rend der SED-Dik­ta­tur in Thü­rin­gen, denn hier befand sich einst eine Unter­su­chungs­haft­an­stalt des Minis­te­ri­ums für Staats­si­cher­heit sowie im angren­zen­den Gebäu­de die MfS-Bezirks­ver­wal­tung. Mehr als 5.000 Men­schen wur­den hier inhaf­tiert, weil sie sich dem Regime wider­setz­ten. Die Gedenk­stät­te wur­de am 03.12.2012 eröff­net, seit dem 04.12.2013 ist die Dau­er­aus­stel­lung „HAFT, DIKTATUR, REVOLUTION. Thü­rin­gen 1949–1989“ zu besich­ti­gen. Sie stellt ein­drucks­voll auf Bil­dern und in Video­se­quen­zen Zeit­zeu­gen­aus­sa­gen in den Mit­tel­punkt. Die Fas­sa­de des moder­nen Anbaus gestal­te­te der Ham­bur­ger Comic-Künst­ler Simon Schwartz mit einem 40 Meter lan­gen Bild: der Kubus der Fried­li­chen Revo­lu­ti­on. Der in Erfurt gebo­re­ne Künst­ler ver­frem­de­te rea­le Fotos aus Archi­ven des Frei­staa­tes Sach­sen von 1989 im Sti­le eines Comics.

Das Minis­te­ri­um für Staats­si­cher­heit war Nach­rich­ten­dienst, Geheim­po­li­zei und Macht­in­stru­ment der SED. Im Jah­re 1989 gab es ca. 91.000 haupt­amt­li­che sowie 190.000 inof­fi­zi­el­le Mit­ar­bei­ter (IM). Letz­te­re wur­den aus allen Bevöl­ke­rungs­krei­sen teil­wei­se mit Druck­mit­teln als Spit­zel ange­wor­ben. Ins Visier der Sta­si konn­te jeder DDR-Bür­ger gera­ten, vor allem wenn der Ver­dacht auf poli­ti­schen Wider­stand, Spio­na­ge oder Repu­blik­flucht bestand. Obser­va­ti­on, Ein­schüch­te­rung und Inhaf­tie­rung kamen dann zum Einsatz.

Anschlie­ßend stu­dier­ten wir die Sta­si­ak­te von Gün­ther Hein­zel und sei­ner Frau Eva (gebo­re­ne Debes). Gün­ther Hein­zel wur­de 1948 in Wal­ters­hau­sen gebo­ren. Er besuch­te die Arnol­di­schu­le und wur­de im Jah­re 1965 nach einem miss­glück­ten Flucht­ver­such in den Wes­ten inhaf­tiert. Nach sei­ner Ent­las­sung 1966 war er zunächst tätig als Dru­cke­rei-Hilfs­ar­bei­ter und spä­ter als Bau­zeich­ner. Nach zwei­jäh­ri­ger Vor­be­rei­tung gelang ihm 1970 die Flucht nach West­ber­lin. Sei­ne Freun­din Eva konn­te er erst spä­ter nach­ho­len lassen.

Gün­ther Hein­zel und sei­ne Frau Eva stan­den  uns an unse­rem zwei­ten Pro­jekt­tag am Diens­tag in einer beein­dru­cken­den Gesprächs­run­de in der Arnol­di­schu­le als Zeit­zeu­ge Rede und Antwort.

Herr Hein­zel erzähl­te, er sei wäh­rend sei­nes Lebens in der DDR ein Geg­ner des Regimes gewe­sen, nach sei­ner Flucht ein Feind. Die Geschich­te sei­nes ers­ten Flucht­ver­suchs sowie die erleb­ten Repres­sa­li­en schil­dert er in sei­nem Roman „Zwei plus vier“, den er unter dem Pseud­onym Rein­hard Iben ver­öf­fent­lich­te und in dem er sei­ne Geschich­te auf­ar­bei­te­te. Er ver­frem­det dar­in die Stadt Wal­ters­hau­sen zu War­ter­ode und ändert sei­nen Namen in Paul Han­feld, des­sen Lie­be zu Han­na (statt Eva) an den Gescheh­nis­sen nicht zer­bricht, son­dern wächst.

Nach sei­ner Flucht stu­dier­te Gün­ther Hein­zel und lebt seit 1986 in Köln. Sein Roman fin­det sich auch in der Schul­bi­blio­thek der Arnoldischule.

 

 

Fried­rich Reu­cker, Klas­se 10/3